Mit ihrer Performance „Ghost in the Spinning Mill“ (1985) erinnerte die britische Künstlerin Monica Ross (1950-2013) in einer verlassenen Spinnerei die Bewegungen und Klänge verschwundener Industriearbeit und würdigte die wenig beachtete Rolle von Arbeiterinnen und von körperlicher Arbeit in der zeitgenössischen Kunst. Diese Performance war Teil des Kunstprojektes „Triple Transformations“, das Ross gemeinschaftlich mit ihren Kolleginnen Shirley Cameron und Evelyn Silver für die ehemalige Industriestadt Rochdale entwickelt hatte.
Monica Ross begann ihre künstlerische Laufbahn mit feministischen Gemeinschaftsaktionen wie „Feministo: The Women’ Postal Art Event“ (1975-79) und „Fenix (also known as Phoenix)“ (1978-80), die den Widersprüchen zwischen den Rollen als Frau, Mutter und Künstlerin begegneten. Anfang der 1980er Jahre engagierte sie sich u.a. in der Gruppe Sister Seven gegen atomare Aufrüstung, wobei sie aufrüttelnde Multimedia-Performances wie „STOP she said“ (1982), „Seachange“ (1986) und „Like Gold in the Furnace“ (1987) entwickelte. Ihre Werke sind dabei von einem Bewusstsein für global wachsende Ungerechtigkeiten geprägt.
Im steten Dialog mit den Ideen und Texten des Philosophen Walter Benjamin nehmen in ihren Performances, Installationen und Textarbeiten medientheoretische und zeitliche Fragestellungen in den 1990er Jahren eine immer größere Rolle ein. Wie bedingt die Medienentwicklung Diktaturen und Kriege im 20. Jahrhundert? Welche Alternativen zum autoritären Mediengebrauch sind denkbar? Kann mit dem Mittel der Wiederholung dazu beigetragen werden, für feinste Nuancen zu sensibilisieren und Achtsamkeit für das eigene Umfeld zu verinnerlichen? Vor allem Benjamins Essay „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ (1936) war Grundlage für eine Reihe von Installationen und Performances. „This Is Not a Photograph“ (1990) handelt vom Widerspruch zwischen grenzenloser Verfügbarkeit von Informationen und gleichzeitigem Fortbestand von Ungerechtigkeit und Gewalt. Aufwändige Installationen wie „passage“ (1993) und „fall“ (1994) ließen das Publikum unwissentlich zur Hauptfigur werden. In Videoinstallationen wie „Iris“ (1998) und dem Netzkunstwerk „justfornow“ (2001-2004) verdichtete die Künstlerin Artefakte und Dokumente ihrer Performances. Ein denkwürdiger Besuch bei Raffaels „Sixtinischer Madonna“ in Dresden inspirierte Ross zu einer intensive Recherche zur Rezeptionsgeschichte des Renaissancegemälde und schließlich zum Künstlerinnenbuch „valentine“ (2000), in dem sich Lewis Carrolls’ Alice im Wunderland, Sigmund Freud, Ida Bauer, Lenin, Karl Marx und viele andere begegnen.
In ihrer letzten großen Performanceserie „Anniversary—an act of memory“ (2008-2013) machte Ross in der kollektiven Rezitation der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ aus dem Gedächtnis deutlich, dass diese keineswegs selbstverständlich, sondern verletzlich sind.
Zum ersten Mal werden Monica Ross’ Arbeiten umfassend in Deutschland gezeigt.