Digitalisierung verändert unsere Arbeitswelt und uns. Doch werden wir frei sein, wenn Roboter und intelligente Computerprogramme unsere Aufgaben übernehmen? In der Videoinstallation „IDLE“ (2019) lässt der Medienkünstler Stefan Hurtig aus dem Off den Aufsatz „Die Faulheit als tatsächliche Wahrheit des Menschen“ (1921) des russischen Suprematisten Kasimir Malewitsch erklingen, während vor einer futuristischen Kulisse die Haushaltsroboter arbeiten und die Hauptfigur tanzt.
In seinen Videoinstallationen und Kunstobjekten setzt sich Stefan Hurtig mit der Rolle von Image und Identität in der immateriellen Arbeit auseinander. Er befragt die mediale Vorbildfunktion von Künstlern, Models, Start-Up-Unternehmen, Managementphilosophie und Fitness. Ästhetisch spielt Hurtig stets mit dem Kippmoment des Zeigens und Verbergens. In der Videoskulptur „Challenge (Leider kein Foto)“ (2012-14) wiederholt ein roter Mund Heidi Klums Mantra aus „Germany’s Next Topmodel“ an dem Modelträume platzten: „Heute leider kein Foto für dich.“ „Double Make-Up. Or: Faces in the Wild“ (2015) ist ein Remake der Videoperformances „Art Make-Up“ (1967/68) des US-amerikanischen Künstlers Bruce Nauman. Nach und nach verschwindet Hurtigs Antlitz in Illustrationen zu Gesichtserkennungstechnologien.
Das Individuum passt nicht zum Markt und zur Arbeitswelt, es muss sich dem Rhythmus der Arbeit und Maschinen anpassen. In einer Reihe von Arbeiten analysiert Hurtig die vielfältigen Techniken der nötigen Selbstoptimierung von Fitness über Selbstmanagement-Ratgeber bis Meditationstechniken. Die 3-Kanal-Videoinstallation „Bloom! Your Self Beautifully Enriched“ (2015–17) entwirft im Setting eines „Fun-Offices“ einen skeptischen Blick auf die Konjunktur des Kreativitätsbegriffs im Management. Auch im Video „HYPER“ (2015) werden Ratschläge für Kreativschaffende beim Trainieren im Fitnessstudio zitiert.
Wo beginnt bei der technologischen Optimierung des Menschen und bei der zunehmenden Intelligenz der Maschinen die Schwelle, die das Menschsein selbst in Frage stellt? Für die neue Arbeit „BREEDER“ (2022) trainierte Hurtig einen lernenden Algorithmus darauf, Bilder von ihm selbst in Yogapositionen zu generieren: In wieweit ist die intelligente Maschine dazu fähig, die Anatomie des Menschen und generell gesprochen uns Menschen zu verstehen? „CBRG.SPACE“ (2022) handelt von den Veränderungen der Biosphäre durch den Menschen und seine Technologien und verwandelt mit smarten Chips Kostüme in Träger virtueller Informationen. So entsteht ein mobiler Kommunikationsraum, der flexibel eingesetzt werden kann. Das Video zeigt den Performer Jan Jedenak in diesem Kostüm im Einsatz vor der brutalistischen Architektur eines ehemaligen Tierversuchslabor in Berlin.
Diese Ausstellung gibt einen Überblick über das recherchebasierte Schaffen des Leipziger Medienkünstlers Stefan Hurtig seit 2010 und zeigt vier Neuproduktionen.